Grausame Bilder aus Tierversuchslaboren in Norddeutschland erschütterten im Herbst 2019 die ganze Republik. Tierschützer*innen hatten in einer Undercover-Aktion aufgedeckt, dass in den Versuchslaboren des Unternehmens Laboatory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co. KG (LPT) am Standort Mienenbüttel südlich von Hamburg Tiere gequält wurden – und zwar über das durch die Versuche begründete Maß hinaus. Ein Überblick über die Geschehnisse seitdem.
In den Wochen nach Bekanntwerden der Vorfälle traten weitere Missstände zutage, auch am Firmensitz in Hamburg-Neugraben. Auf den groß angelegten Demonstrationen forderten im Herbst 2019 bis zu 15.000 Menschen die Schließung des Unternehmens und seiner drei Versuchstierstandorte in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist nur für das Labor in Hamburg zuständig. Hier wurden Versuche an Kleinnagern vorgenommen, während in Niedersachsen Versuche an Primaten und Hunden erfolgten.
Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf – u.a. nach Strafanzeige einer Abgeordneten der Hamburger Grünen – wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung in einer Vielzahl von Fällen sowie wegen des Verdachts des Betrugs bei der Manipulation von Studienreihen.
Schließlich wurde im Januar 2020 das LPT-Labor im niedersächsischen Mienenbüttel geschlossen. Anknüpfend an diese Entscheidung entzog die damals zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz dem Unternehmen am 14. Februar 2020 auch in Hamburg die tierschutzrechtlichen Haltungs- und Versuchserlaubnisse. Hauptgrund: die Unzuverlässigkeit der Verantwortlichen, die in Mienenbüttel und Hamburg dieselben waren. Das Labor machte dicht. Tierschützer*innen feierten dieses Ereignis als großen Sieg gegen die Tierversuchsindustrie. Alle Labortiere aus Hamburg konnten an Tierschutzorganisationen vermittelt werden.
Währenddessen reichte LPT beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage gegen die behördliche Anordnung ein und zog im Anschluss vor das Oberverwaltungsgericht (OVG). Das beschloss am 15. Juli 2020, die aufschiebende Wirkung der Wiedersprüche wiederherzustellen. Inzwischen hatte das Unternehmen zahlreiche v.a. personelle Umstrukturierungen vorgenommen. So wurde der Geschäftsführer ersetzt und ein neuer Tierschutzbeauftragter eingestellt.
Die nunmehr zuständige Behörde für Justiz und Verbraucherschutz hatte kein rechtliches Mittel gegenüber dem OVG. Der Beschluss ist unanfechtbar. Das Ergebnis: LPT durfte den Betrieb in Neugraben Ende August 2020 wieder aufnehmen. Dies war eine juristische, keine politische Entscheidung. Zumindest konnte die Behörde LPT Auflagen erteilen, die v.a. Informationen zu personellen Veränderungen betreffen, die Sachkunde des Personals sowie die genaue und überprüfbare Dokumentation der Tiere und der Versuche. Parallel dazu beschloss die Justizbehörde, die Kontrollen bei LPT nochmals zu intensivieren. Die engmaschigen Kontrollen bewerte auch ich als Sprecherin für Tierschutz der Grünen Bürgerschaftsfraktion als unverzichtbar, damit künftig frühzeitig Verfehlungen aufgedeckt werden können.
Zu den Entwicklungen bei LPT erfolgte daraufhin eine Selbstbefassung im Justizausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft, von der ein Wortprotokoll erstellt wurde.
Im Februar 2021 verkündete LPT, dass man künftig unter dem Namen Provivo Biosciences firmieren werde. Die Website wurde überarbeitet, das Erscheinungsbild des Unternehmens sollte erneuert werden. Kein Ballast mehr. Doch die Proteste der Tierschützer*innen gingen weiter.
Regelmäßig gab es Mahnwachen am Hamburger Standort in Neugraben. So deutete offenbar schon einiges darauf hin, dass hier Veränderungen geschehen, beispielsweise waren immer weniger Angestellte vor Ort. Am 19. Oktober 2021 erhielten einige Medien dann die Mitteilung, dass hier ab Februar 2022 keine Tierversuche mehr durchgeführt werden sollen.
Wir Grüne kämpfen für einen Ausstieg aus den Tierversuchen. Wir finden, dass jeder genehmigte Tierversuch den gesetzlichen und wissenschaftlichen Auftrag erneuert, Alternativen zu entwickeln. Die Wissenschaft darf bei Tierversuchen nicht stehen bleiben, sondern muss sie langfristig ablösen!
Stand: 20.10.21