Seit fast zwanzig Jahren hat Hamburg ein Fütterungsverbot für verwilderte Tauben. Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht als Ergebnis viele geschwächte und krankheitsanfällige Stadttauben und keine Lösung der Probleme. Um zu verstehen, warum eine Politik gegen Tauben nichts nützt, müssen wir die Vorgeschichte kennen:
Stadttauben sind verwilderte Haustiere und keine heimischen Wildtiere. Sie stammen von Felsentauben ab, die zu Brieftauben, Ziertauben und anderen Haustauben gezüchtet wurden. Dadurch tragen unsere heutigen frei lebenden Stadttauben als Nachkommen der gezüchteten Tauben nun Eigenschaften in sich, von denen sich viele gestört fühlen:
- Stadttauben brüten und sitzen immer dort, wo sie nicht willkommen sind: auf, in und an Gebäuden, weil das die einzigen Felsen sind, die sie in Hamburg finden können. Anders als Ringeltauben, brüten Stadttauben nicht auf Bäumen. Egal wie viele Spikes, Netze oder Spiralen zur Vergrämung eingesetzt werden, Stadttauben werden immer eine neue Nische am nächsten Haus suchen und finden. Solange wir keine Orte schaffen, an denen Stadttauben sein dürfen, wird viel Aufwand betrieben, um sie im Kreis zu verscheuchen. Das ist keine Lösung.
- Stadttauben legen mehrmals im Jahr Eier und vermehren sich schnell – und das auch bei knapper und schlechter Nahrung. Das ist ein Erfolg der Zucht und ein Vorteil, wenn die Tauben Geld oder Fleisch bringen sollen. Als frei lebendes Tier ist es aber ein großes Problem, wenn die eigenen Küken nicht versorgt werden können. Die Hamburger Taubenschutzvereine berichten, dass sie regelmäßig verhungerte Küken in den Nestern finden. Sie kritisieren deshalb, dass das öffentliche Fütterungsverbot ohne ein Netz aus betreuten Taubenschlägen zum Hungertod führt und gegen das Tierschutzgesetz verstößt.
Das Problem ist von Menschen gemacht und daraus leitet sich eine Verantwortung für die Stadttauben ab.
- Stadttauben sind Körnerfresser und vertragen Brot und Pommes nicht gut. Da sie in der Stadt aber kaum Körner finden (und auf dem Land keine Brutplätze), fressen sie vieles, was sie auf dem Boden finden. Durch diese falsche Ernährung ist ihr Kot oft sehr flüssig und besonders schwer zu entfernen. Gesunde und mit Körnern gefütterte Tauben hinterlassen kleine Häufchen, die so ähnlich aussehen wie von Singvögeln. Eine professionelle Fütterung mit Körnern und Wasser in Taubenhäusern trägt zur Gesundheit der Tiere und zur Sauberkeit der Stadt bei.
Das Ziel sollte es sein, weniger Stadttauben in Hamburg zu haben, die aber gesünder leben. Die einzige bisher erfolgreich erprobte Methode dafür ist der Bau von ausreichend betreuten Taubenschlägen. Dabei sind mehrere Aspekte für den Erfolg entscheidend:
- Alle Stadttaubenpaare in der Umgebung müssen im Taubenhaus Platz zum Brüten haben.
- Die Eier müssen regelmäßig entfernt und durch Attrappen ausgetauscht werden.
- Wenige Küken müssen schlüpfen gelassen werden, damit der Taubenschlag angenommen wird.
- Regelmäßige Reinigung, frisches Wasser und Körnerfutter müssen gewährleistet sein.
- Es sollte nach Einzug der Stadttauben in ihren betreuten Schlag keine Fütterung außerhalb geben.
In Hamburg gibt es bisher nur einen Taubenschlag am Hauptbahnhof mit etwa 200 Plätzen für die dort lebenden 800 Stadttauben, einen Taubenschlag von der Saga in Mümmelmannsberg und einen Schlag auf dem Gelände des Hamburger Tierschutzvereins (HTV). Darüber hinaus werden verletzte und invalide Tauben von Ehrenamtlichen und engagierten Privatpersonen betreut, die in geschlossenen Schlägen, Volieren oder Privatwohnungen versorgt werden. Um eine nachhaltige Lösung für die Stadttauben zu finden, müssen wir lernen mit den Tauben zu arbeiten und nicht gegen sie.
Wir Hamburgerinnen und Hamburger, Gewerbetreibende, Verkehrsunternehmen, Verwaltung und die Politik müssen gemeinsam daran arbeiten, Taubenschläge für alle Stadttauben zu errichten. Mit mehreren Runden Tischen in verschiedenen Bezirken haben wir uns bereits auf den Weg gemacht. Das Umdenken hat begonnen – nun müssen Taubenhäuser folgen.
(Dieser Artikel ist von 2021 und wurde 2024 um das Video ergänzt.)